Die Faszination des Ultralaufs mit all seinen Facetten hat in Fieberbrunn dieses Jahr für mich eine ganz neue Perspektive und Erfahrung eröffnet. Ich hatte die Ehre, Anka bei ihrem ambitionierten Vorhaben, 100 Meilen und knapp 10.000 Höhenmeter zu bewältigen, als persönlicher Supporter zu begleiten. In diesem Bericht möchte ich meine Sicht auf die Zeit neben der Rennstrecke dokumentieren.
Die Vorbereitungen begannen bereits einige Tage vor dem eigentlichen Rennen. In unserer WhatsApp-Gruppe tauschten wir zahlreiche Nachrichten aus, diskutierten Ernährungsstrategien, verglichen Ausrüstungen und erstellten Zeit- und Streckenpläne. Ein besonderes Highlight sollte unser eigenes GPS-Tracking werden. Viele Stunden der Programmierung und Entwicklung lagen vor mir – bei zahlreichen Test- und Trainingsläufen verbesserten wir kontinuierlich die Funktionen und erweiterten den Umfang.
Am Donnerstag, den 01.08., begann meine Reise um 13 Uhr von Neuötting zum Startort Fieberbrunn in Tirol. Gegen 15 Uhr traf ich Anka in der Pension, wo wir letzte Details zur Verpflegung und Ausrüstung besprachen. Pünktlich um 16 Uhr startete das Racebriefing im Stadtsaal, bei dem die wichtigsten Informationen zu Strecke und Ablauf vermittelt wurden.

Das Wetter versprach zu diesem Zeitpunkt nichts Gutes; es regnete stark. Die letzte Stunde bis zum Start um 18 Uhr zog sich gefühlt wie Kaugummi. Glücklicherweise verzog sich der Regen 30 Minuten vor dem Start, und es blieb eine kühle, “gewaschene” Luft zurück. Diese Wetteränderung hob sichtlich die Stimmung der Läufer – zu wissen, dass der Start trocken sein würde, zauberte vielen ein Lächeln ins Gesicht. Besonders Anka strahlte, als sie von ihrer Freundin Dany bis zur Startlinie begleitet wurde.
Nach den letzten Fotos vor dem Zielbogen fiel pünktlich um 18 Uhr der Startschuss! Der KAT100 hatte begonnen, und Anka machte sich auf den Weg zu ihrem lang ersehnten Rennen. Eine ganz besondere Atmosphäre lag in der Luft.

Das kleine Starterfeld von 102 Teilnehmern zog schnell vorbei, und ich stand mit Dany da. Wir beide konnten es kaum fassen – das Rennen hatte tatsächlich begonnen!
Für mich begann nun eine völlig neue Erfahrung. Bisher hatte ich nur als Läufer selbst an solchen Events teilgenommen – jetzt befand ich mich auf der “anderen” Seite. Meine Aufgabe war es, Anka die bestmögliche Unterstützung von außen zu bieten und ihr Probleme und Sorgen von den Schultern zu nehmen. Wie die nächsten Tage und Stunden verlaufen würden, war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.

Entlang der Strecke waren 15 Verpflegungspunkte verteilt. Mein Ziel war es, an acht Stationen persönlich vor Ort zu sein, darunter die drei großen Livebases in Waidring, Kitzbühel und Oberaurach sowie die kleineren VPs in Hochfilzen, St. Ulrich, St. Johann, Jochberg und den Jochberger Wildalmen. All diese waren für mich erreichbar.
Nach Ankas Start machte ich mich auf den Weg zum zweiten VP in Hochfilzen, nachdem ich mich noch mit einer leckeren Pizza in Fieberbrunn gestärkt hatte.

Unser Zeitplan sah vor, dass Anka gegen 23 Uhr in Hochfilzen ankommen würde, nach 26 km und etwa 1600 Höhenmetern. Ich war rechtzeitig vor Ort und feuerte jeden ankommenden Läufer an. Die Stimmung war großartig – die trockene Nacht und die milden Temperaturen trugen dazu bei. Anka traf um 22:10 Uhr frisch und locker ein. Sie war gut gelaunt und strahlte vor Freude.
Nachdem wir Tailwind nachgefüllt und die Ausrüstung überprüft hatten, setzte sie ihren Weg nach St. Ulrich fort. Die bevorstehende Etappe zum Jakobskreuz mit 14 km gehörte zu den längeren Abschnitten.

Während Anka weiterlief, sprang ich ins Auto und machte mich auf den Weg nach St. Ulrich. Das leuchtende grüne Jakobskreuz in der Höhe bot einen imposanten Anblick, und die vielen kleinen, sich bewegenden Lichtpunkte am Berg erinnerten an Glühwürmchen.
Gegen 23:30 Uhr erreichte ich das Gemeindehaus in St. Ulrich, voller Vorfreude auf Ankas Ankunft. Der neue Tag brach an – es war nun Freitag, 00:10 Uhr, als sie den VP erreichte.
Die Infotafel am Stand zeigte die nackten Zahlen: 38,9 km und 2166 Höhenmeter waren bereits bewältigt, 9,1 km lagen noch vor ihr bis zur ersten großen Lifebase in Waidring. Nach wenigen Minuten und mit zwei frisch aufgefüllten Flaschen verließ Anka den VP.

Unser Livetracker auf der Homepage erwies sich als mein wichtigstes Werkzeug. So konnte ich metergenau verfolgen, wo sich Anka gerade befand. Zusätzlich hatte ich einen eigenen Tracker dabei, um auch meinen Standort zu überwachen. Zu Beginn des neuen Tages offenbarte sich allerdings ein Software-Bug, den ich glücklicherweise im Auto am Laptop relativ schnell beheben konnte.

Nachdem alles wieder einwandfrei funktionierte und ich Ankas Strecke verfolgen konnte, machte ich mich auf den Weg nach Waidring, der ersten von drei Lifebases.

Hier bot sich die Gelegenheit, als Supporter richtig aktiv zu werden. Um 1:05 Uhr traf ich ein und verschaffte mir rasch einen Überblick – der Dropbag mit der Nummer 75 war schnell gefunden. Ich bereitete Powerbanks, Getränke und ein frisches Outfit vor. Um 1:29 Uhr kam Anka an. Sie wirkte immer noch gut gelaunt und voller Energie!
Es war beeindruckend, sie in so guter Verfassung zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits 7 Stunden und 29 Minuten im Rennen und hatte 49 km und 2400 Höhenmeter bewältigt!

Mit frischem Outfit und neuen Wechselschuhen machte sie sich über die Kalkalmen auf den Weg nach St. Johann. Bis zu unserem nächsten Treffpunkt dort lagen 16 km und 1300 Höhenmeter vor ihr. Ich nutzte die Gelegenheit für einen kurzen Powernap in der Pension in Fieberbrunn. Knapp eineinhalb Stunden konnte ich ruhen, bevor der Wecker klingelte. In den frühen Morgenstunden fuhr ich nach St. Johann, um Anka um 6:07 Uhr in Empfang zu nehmen.
Es war ein kleiner VP mitten in einer Fußgängerzone. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Anka bereits auf den beachtlichen 4. Platz in der Frauenwertung vorgearbeitet! (Diese Information teilte ich ihr hier mit)

Eine anspruchsvolle Etappe hoch zum Kitzbüheler Horn und hinunter nach Kitzbühel zur zweiten Lifebase stand bevor. Wir wussten, dass sie bei unserem nächsten Wiedersehen kurz vor der magischen 100-km-Marke stehen und beeindruckende 5100 Höhenmeter bewältigt haben würde. Gemeinsam marschierten wir vom VP in Richtung Bergbahn. Nach etwa 100 Metern verabschiedeten wir uns mit aufbauenden Worten und einer kurzen Umarmung. Die bevorstehende Etappe versprach, wirklich fordernd zu werden – nicht nur wegen der vielen bereits gelaufenen Kilometer, sondern auch wegen des knackigen Anstiegs zum Kitzbüheler Horn.
Ich beobachtete, wie Anka immer kleiner wurde, bis sie schließlich abbog. Bisher hatte ich bei jedem unserer Treffen ein gutes Gefühl gehabt. Sie wirkte durchweg energetisch und zeigte keinerlei Anzeichen von Erschöpfung oder Schwäche. Sie war einfach in Topform.
Ich fuhr zurück nach Fieberbrunn, wo ich das Café Brotkultur entdeckte.

Dies sollte für die nächsten zweieinhalb Stunden meine Basis werden. Bei einem hervorragenden Cappuccino und einem leckeren Frühstück informierte ich um 6:30 Uhr Jochen telefonisch über die Stimmung und die Ereignisse im Rennen. Als er erfuhr, dass Anka unter den Top 5 lag, war er begeistert. Seiner Aussage nach war auch seine Nacht kurz und unruhig gewesen – der Livetracker war auch sein ständiger Begleiter. Jochen plante, gegen 14 oder 15 Uhr einzutreffen. Wir spekulierten, dass es wahrscheinlich in Jochberg sein würde.

Die Zeit verging wie im Flug, und ich musste mich beeilen, um rechtzeitig in Kitzbühel zu sein. Ich hatte die Anfahrt mit etwa 30 Minuten etwas unterschätzt. Also machte ich mich direkt auf den Weg, stets den Tracker am Handy im Blick. Nach 2:34 Stunden erreichte Anka den Gipfel des Horns, übrigens weit vor unseren Planungen – sie war etwa 1:30 Stunden früher als erwartet.

Um 9:30 Uhr traf ich ein, parkte in der Nähe und eilte im Laufschritt zur zweiten Lifebase auf einem Sportplatz.

Schnell fand ich ihren zweiten Dropbag und bereitete alles für ihre Ankunft vor.

Um 9:46 Uhr traf Anka ein und ließ sich sofort auf die vorbereitete Liege sinken. Wir wechselten ihre Schuhe und ihr gesamtes Outfit. Während ich mich um das Aufladen ihrer Uhr und des Handys kümmerte, mischte ich frisches Tailwind für ihre Flaschen und füllte die Reserven auf.

Anka deutete auf Stellen an ihren Hüften, wo sich zwei große gerötete Bereiche zeigten – ein Anzeichen für zu viel Reibung. Die genaue Ursache war uns zunächst nicht klar. Wir vermuteten zunächst den Hosenbundgummi, obwohl sie mit ihrer geliebten Kiwami-Hose schon viele hundert Kilometer problemlos gelaufen war.
Die Ursachenforschung musste jedoch zunächst zurückstehen – eine Lösung für die verbleibenden 80 Kilometer hatte Priorität. Die Idee, die offenen Stellen mit Kinesio-Tape abzukleben, erschien uns beiden sinnvoll, um die Reibung zu minimieren. Gesagt, getan: Wir organisierten Tape und eine Schere und machten uns an die Arbeit. Mit einem etwas mulmigen Gefühl klebte ich das Tape auf die wunden Stellen.

Der Gedanke an das spätere Entfernen der Tapes im Ziel schoss mir kurz durch den Kopf, doch wir konzentrierten uns auf das Hier und Jetzt. Anka fühlte sich mit dieser Lösung wohl, zumal sie auch schon eine neue Hose angezogen hatte.
Gegen 10:15 Uhr verließ Anka die zweite Lifebase. Vor ihr lag der Aufstieg über den Hahnenkamm zum Pengelstein, bevor wir uns nach 23 km und 1600 Höhenmetern in Jochberg wiedersehen würden.

Ich packte alles zusammen und machte mich langsam auf den Weg nach Jochberg.
Um 11:30 Uhr bezog ich Position gegenüber dem Gemeindehaus, dem VP10. Das Wetter präsentierte sich von seiner besten Seite: Es war trocken, gelegentlich schob sich ein Wölkchen vor die Sonne, und die Temperaturen waren angenehm. Es versprach, ein herrlicher Tag zu werden. Ich hielt den Kontakt zu Ankas Freundinnen und Unterstützern, wobei die Kommunikation, wie von Anka im Voraus festgelegt, über mich und Jochen lief. Sie wollte sich voll auf das Rennen konzentrieren können (und nebenbei den Handyakku schonen).

Jochen kündigte seine Ankunft in Jochberg für etwa 14 Uhr an. Er kämpfte sich durch den dichten Verkehr auf den Autobahnen, freute sich aber sehr darauf, nun auch an der Strecke dabei zu sein.
In der Zwischenzeit zeigte das Wetter seine launische Seite: Von unwetterartigen Regengüssen und Gewitterfronten, die wie eine Walze über Jochberg hinwegrollten, bis hin zu strahlendem Sonnenschein erlebten wir alle Facetten.
Ankas Freundin Birgit stieß gegen 15 Uhr zu unserem Supportteam. Wir vertrieben uns die Zeit mit dem gefühlt hundertsten Blick auf den Tracker, kontrollierten immer wieder Ankas Live-Standort und studierten zwischendurch den Wetterbericht. Für ihre Ankunft bereiteten wir ein kleines Empfangskomitee mit Megafon, Hupen und Glocken vor.

Um 16:46 Uhr war es dann soweit: Anka lief in Jochberg ein, begleitet vom Soundtrack “Legends Never Die”. Gemeinsam liefen wir die letzten Meter zum VP, der aufgrund der sintflutartigen Regenfälle in eine Art Garage verlegt worden war. Anka berichtete von den Strapazen des letzten Abschnitts – schmerzhafte Hagelkörner, Gewitter und starke Regenfälle hatten ihr zugesetzt. Umso erleichterter waren wir, sie wohlbehalten bei uns in Jochberg zu sehen.

Anka stärkte sich mit einer asiatischen Nudelsuppe und bereitete sich zügig auf die bevorstehende Etappe zur Jochberger Wildalm vor, gefolgt von einer Schleife über den Teufelssprung und anschließend zurück nach Oberaurach. Frisch gestärkt und massiert, brach sie gemeinsam mit Anja aus der Schweiz auf. Damit war auch VP10 absolviert.
Jochen und ich entschieden uns spontan, auf kürzestem Weg zur Wildalm hochzulaufen, um Anka dort zu überraschen. Sie rechnete erst in Oberaurach wieder mit uns. Gesagt, getan: Wir eilten zu unseren Autos, zogen unsere Laufkleidung an und machten uns auf den Weg. Das Wetter hatte sich beruhigt und schien stabil zu bleiben. Gemeinsam bewältigten wir die etwa 5 km mit 600 Höhenmetern direkt hinauf zur Wildalm.

Dabei behielt ich stets den Tracker im Auge – würden wir es vor Anka und Anja schaffen? Wir mussten! Also ging es zügig den Berg hinauf, angetrieben von der Vorfreude auf Ankas überraschtes Gesicht.

Oben angekommen, positionierten wir uns strategisch am Weg. Vom Handy erklang “Heart of Courage”, als Anka und Anja um die Kurve bogen. Ihre Gesichter sprachen Bände – damit hatte niemand gerechnet! Die Überraschung war perfekt gelungen. Nach einer kurzen Stärkung brachen die beiden frohen Mutes zum Teufelssprung auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits unglaubliche 132 km und 7400 Höhenmeter in den Beinen und lagen auf Platz 4/5 der Gesamtwertung. Eine beeindruckende Leistung!

Wir liefen zurück nach Jochberg und erreichten unsere Autos gerade noch rechtzeitig vor dem nächsten Unwetter. Voller Hoffnung, dass Anka und Anja die Wetterkapriolen gut überstehen würden, machten wir uns auf den Weg nach Oberaurach zur dritten Lifebase.

Um die Wartezeit zu überbrücken, gönnten wir uns ein Abendessen in einem örtlichen Gasthaus. Für einen kurzen Powernap im Auto blieb noch Zeit, wobei ich ständig das Handy im Blick behielt – bloß nicht den entscheidenden Moment verpassen!

In der Nacht zum Samstag, um 00:23 Uhr, tauchten endlich die Stirnlampen von Anka und Anja auf. Gemeinsam liefen sie in VP13 ein. Routiniert hatte ich bereits den Dropbag ausgepackt und alles vorbereitet: Frische Kleidung, neue Schuhe und flüssige Energie standen bereit. Nach über 151 Kilometern machten sich die Strapazen bemerkbar, doch Anka war immer noch in erstaunlich guter Verfassung. Jochens Anwesenheit gab ihr zusätzlichen Auftrieb.

Gegen 00:50 Uhr brachen beide zu den letzten Kilometern auf, immer noch auf dem beeindruckenden Platz 4/5! Es war kaum zu fassen. Sie liefen wieder hinaus in die Nacht – das Rennen lief nun schon seit 30 Stunden und 23 Minuten! Im Gesamtranking lagen sie auf Platz 25/26.
Jochen und ich fuhren zurück zur Pension in Fieberbrunn. Wir rechneten mit weiteren 7-8 Stunden bis zum Zieleinlauf. In der Pension nutzten wir die Zeit für etwas Schlaf. Zum Frühstück gab es Semmeln, Saft und Kaffee. Kurz vor 7 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Ziel. Mit jedem Schritt Richtung Zielbogen wuchs unsere Vorfreude. Wir wussten: Jetzt sollte nichts mehr schiefgehen – sie hatten schon so viel geschafft!

Wir positionierten uns mit Megafon und Tröten hinter dem Zielbogen. Als wir um 7:27 Uhr die beiden auf dem pinkfarbenen Teppich erblickten, kannte unsere Freude keine Grenzen! Hand in Hand überquerten sie nach beeindruckenden 37 Stunden und 27 Minuten die Ziellinie des KAT100, gemeinsam auf dem sensationellen dritten Platz!

Sie hatte es geschafft!

Anka, an dieser Stelle möchte ich dir nochmals meinen allergrößten Respekt für diese außergewöhnliche körperliche und mentale Leistung aussprechen! Es war wahrhaft inspirierend und eine Ehre, dich auf dieser Reise begleiten zu dürfen. Einfach grandios, und beeindruckend!
Gerne wieder! 😀

Und zum Schluss noch eine kleine Auswertung zu meinen Strecken mit dem Auto – ich war tatsächlich 150km zwischen den VPs unterwegs, und ich sage es immer wieder – jeder einzelne Kilometer hat sich gelohnt! Es war einfach eine besondere Erfahrung.
